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Quelle: Die Robertsons auf der Toka Maru.
Geboren 1975 in Hildesheim. Studierte Drehbuchschreiben an der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. Ausgedehnte Reisen in den Mittleren Osten, durch Asien und Ozeanien. Lebte ein Jahr in Neuseeland. Fotografiert und schreibt für Berliner Kurier, Der Freitag, Zeit Online. Er lebt mit seiner Familie als freier Autor in Berlin.
"Wir versammelten uns zum Tee. An der Mahlzeit bestehend aus einem dreieinhalb Quadratzentimeter großen Keks für jeden, einem kleinen Stückchen Traubenzucker und einem Schluck Wasser nahmen alle teil.“
Ich schließe die Augen und träume: Weihnachten. Das Fest der Familie. Vater, Mutter, Kind. Noch ein Kind. Enkelkind. Omi, Opa, Bruder, Freundin ... Mitten drin man selbst. - Alle verstehen sich. Alle sind selbstironisch und unempfindlich gegenüber Kritik. Alte Vorurteile sind ausgeräumt, es kommt zu keinerlei Missverständnissen. Mit der Rollenverteilung wird flexibel und spielerisch umgegangen. Genauso entspannt reflektiert man die Erwartungen, die man in den anderen setzt. Die anfallenden Aufgaben erledigen sich wie von selbst. Man reagiert mit heiterer Gelassenheit auf die kleinen Schwächen seiner Verwandten. Vor allem genießt man das gemeinsame Essen.
Selbst ich, der sich von einer Bemerkung seines Bruders zutiefst verletzt fühlen wird, zieht sich nicht in das am weitesten entfernte Zimmer zurück, sondern wirft seine Empfindlichkeit und seine Misanthropie wie ein nasses Handtuch von sich. Jeder, wirklich jeder wird an diesem Weihnachtsabend fähig sein, das Spielfeld des Sozialen lust- und rücksichtsvoll zu bespielen.
Und es kommt noch besser. Mein Bruder wird an mich herantreten. Er wird ein Geschenk in den Händen halten. Das Geschenkpapier werde ich zerfetzen. Und meine Freude wird groß sein. Denn mein Bruder ist über seinen Schatten gesprungen. Er hat sich in mich hineinversetzt. Ich weiß, dass er diese Art der Lektüre normalerweise nicht mit der Mistgabel anrühren würde, und er weiß, dass ich süchtig danach bin; nach extremen, verschrobenen und primitiven Welten. Nach dieser Art der Flucht aus der Realität. Dougal Robertson. Survive the Savage Sea. So heißt das Buch. Ein wahrer Leckerbissen der Reise- und Abenteuer-Literatur. Dass ich das Buch schon kenne, ändert nichts an meiner Freude. Ich sage: „Danke dir“, und umarme ihn.
Kurz darauf werde ich allein sein. Die Kinder schlafen. Die anderen Verwandten unterhalten sich mit gedämpften Stimmen. Niemand erwartet irgendetwas vom anderen. Ich werde die Tür hinter mir schließen und das Buch lesen. Ich werde es noch einmal verschlingen, von der ersten bis zur letzten Seite. So wie am Heiligabend vor einem Jahr. Es wird ein geglückter Abend werden. Survive the Savage Sea.
Bei diesem „größten See-Abenteuer unseres Jahrhunderts“ (Klappentext) handelt es sich um den Bericht eines Mannes, der mit seiner Ehefrau und seinen Kindern vor den Galapagos-Inseln Schiffbruch erleidet. Ab dem 10. Juni 1972 treibt die Familie Robertson aus North Staffordshire (England) in einem winzigen Rettungsfloß auf dem Ost-Pazifik ... Eine Familie auf engstem Raum? Ständige Angst vor dem Hungertod?! Das erinnert doch an etwas. Ja, kein Buch könnte besser zu Weihnachten passen!
Die zwei Haupt-Weihnachts-Komponenten spielen die tragende Rolle. Erstens: Ort, Zeit und Art der Nahrungsaufnahme. Zweitens: eine Familie auf engstem Raum. Stellen Sie sich einfach vor, Sie säßen mit ihren Eltern und ihren Geschwistern in einem Floss von der Größe eines Bettes. Und alle sind so gut wie nackt.
Dougal Robertson schildert die Katastrophe in klaren, bewegenden Worten. Die ersten Tage nach dem Schiffbruch sind besonders hart. Die folgenden noch viel härter. Ein Schiff fährt vorbei ohne sie aufzunehmen. Die Notrationen sind nicht ansatzweise ausreichend. Der Familienvater beschreibt sehr anschaulich seine rasante Verwandlung vom zivilisierten Menschen zu einem Wilden, ja einem Tyrannen. Dieser Verwandlung geht allerdings noch etwas voraus. Lyn – seine Ehefrau – nimmt ihm das Versprechen ab, noch bevor er sich vom Schock des Schiffbruchs erholen kann, dass sie die Kinder lebendig an Land bringen werden. Somit haben die beiden einen Vertrag. Es gibt ein gemeinsames Ziel. Und es gibt den gemeinsamen Feind: Den Pazifik, diesen gnadenlosen, humorlosen, gleichgültigen, grau-blauen Goliath.
Genüsslich greife ich zum Bier, das mir meine Freundin liebenswürdigerweise vorbeigebracht hat. Dann blicke ich aus dem Fenster in eine verschneite, malerische Landschaft. Dann schiebe ich mir die Decke bis unter das Kinn und lese eine Zeile nach der anderen. Hin und wieder lausche ich, ob ich Geräusche aus der Küche oder dem Wohnzimmer vernehmen kann. Die Familie! La Familia! Nein, ihr leises Sprechen wird kaum zu hören sein. Es hinterlässt nur leichtes Gekräusel auf der Oberfläche meiner Seele. So lese ich weiter: Was gibt es Schön-Schrecklicheres, als einer Familie als distanzierter Beobachter bei ihrem Überlebenskampf zuzusehen! Mit ihnen zu fiebern und sie schließlich zu bewundern. Und zu lieben. Was gibt es Interessanteres (süß-saure Ernüchterung) als zu sehen, unter welchen Bedingungen eine Familie perfekt funktionieren könnte.
Die Robertsons durchleiden mörderische Wochen mit Haiattacken, Fast-Verhungern, Dehydration dritten Grades, Hoffnungslosigkeit, Wahnsinn, Orkanen, Salzwassergeschwüren. Einmal kommt es zum Ehestreit, in dem beide Partner Dinge sagen, die unter normalen Umständen das sofortige Ende ihrer Ehe nach sich ziehen würden. Doch unter diesen Umständen ist man nicht zimperlich. Außerdem ist für Differenzen schlichtweg keine Zeit. Differenzen wären tödlich. Dafür überraschen die Robertsons in den äußerst seltenen Muße-Momenten mit berührenden Ideen, um die Laune zu heben. Sie erzählen sich den Inhalt ihrer Lieblingsromane, singen Lieder und träumen von einem Imbiss, den sie zu Hause in England gemeinsam aufmachen wollen. Vor allem fantasieren sie von üppigem Essen! „Do not go gentle into that good night... Rage, rage against the dying of the light“, deklamiert Lyn mit Dylan Thomas gegen die Verzweiflung, die Ermattung, den Hunger, den Wahnsinn.Ich will nicht verraten wie das Buch ausgeht. Ich lasse offen, ob Dougal und Lyn in ihrem Bericht zugeben, dass sie eins ihrer Kinder in einem kannibalischen Akt verspeisen müssen, um sich und die anderen zu retten; oder ob sich das Buch in einen verrückt-nüchternen Ratgeber mit einer Überdosis britischem common sense verwandelt.
Also, die Moral von der Geschicht: Wer die Nahrungsaufnahme und die familiäre Interaktion an Weihnachten von einer anderen Warte aus betrachten will, der bestelle dieses Buch. Oder: er lade seine Familie auf einen Segeltörn ein, schlage ein Loch in den Rumpf und sorge dafür, dass keine Hilfe, sondern nur ein winziges Rettungsfloß in der Nähe ist.
++ Dougal & Lyn Robertson: Survive the Savage Sea. ++
PLUS EXTRA Rezept-Spezial für die Feiertage (Copyright Dougal Robertson)
Heiligabend:
„Das Mittagessen, bestehend aus einem Orangenschnitz (wir aßen jetzt auch die Schale) und einem halben Keks, gefolgt von einem kleinen Schluck Wasser, war nur zu schnell vorüber.“
Erster Feiertag:
„In Zitronensaft mariniertem Fisch mit Zwiebeln und einer Mischung aus Fischleber und Herz mit kleinen ebenfalls mit Zitronensaft gewürzten Stückchen von fliegendem Fisch, gefolgt von unserer letzten Apfelsine (sie wurde schlecht) und einem Schluck Wasser. Und hinterher (…) knabberten wir jeder an einem Stück Rückgrat. Robin benagte den Kopf in guter alter Höhlenmensch-Manier.“
Zweiter Feiertag:
„Zum Mittagessen ein bisschen getrocknete Dorade, etwas halb-getrocknetes Schildkrötenfleisch, das viel besser als das rohe Zeug schmeckte, aber natürlich mehr Wasser brauchte, um verdaut zu werden, und ein kleines Stückchen Zwiebel, von denen wir noch zwei hatten. Es stellte eine angenehme Abwechslung von dem winzigen Stück Keks dar. Wir bereiteten auch einen Eier-Grog aus einem Dutzend Schildkröteneiern, einer Tasse Wasser und einer Prise getrockneter Hefe. (...) Tatsächlich sagte der neue Geschmack uns allen zu.“
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gibts scheinbar auch auf deutsch: "...und sie kämpften um ihr Leben"
gekauft