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Zeit und Geschichte

Ukraine: Eine sehr ernste Einschätzung

Dominik LennéDienstag, 12.07.2022

Der Beitrag ist eine Zusammenfassung der militärischen Entwicklungen der letzten Zeit in der Ukraine in einer Reihe ähnlicher Analysen durch Oberst Dr. Markus Reisner von der "Theresianischen Militärakademie" in Wien (,die Österreicher achten anscheinend auf lange Tradition). Er ist komplett mit Lagekarten, Bewegungpfeilen, Stärkeaufstellungen der Kräfte, Betrachtung verschiedener Aspekte der Kriegführung und so weiter.

Das Video weist sorgenvollen Grundton auf. Genauer: während die Russen langsam aber sicher ihre Geländegewinne machten, mussten sich die Ukrainer unter Verlusten zurückziehen, um drohenden Umfassungen zu entgehen. Erstere haben ihre Kräfte durch Nachführung aus Russland trotz ihrer Verluste sogar aufgestockt, während Letztere in Menschen und Material an die 50% Einbußen erlitten haben. An ihren Angriffsschwerpunkten verschießen sie bis zu 60.000 Granaten am Tag aus anscheinend riesigen Beständen. Das Bombardement durch bis jetzt 2800 Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper sowie eine ungenannte Zahl von Luftangriffen hat das Ukrainische System angeschlagen. 

Das russische Gegenartilleriefeuer sei sehr reaktionsschnell. Die Ukrainer können mit ihren neuen amerikanischen M777-Haubitzen oft nur ein oder zwei Schuss abgeben, bis die ersten russischen Granaten in der Nähe einschlagen und sie durch Splitter beschädigen. Sie können zwar repariert werden, aber sind für einige Zeit nicht einsetzbar. 

Die gepanzerten Geschütze aus Deutschland, Norwegen und besonders aus Polen sind robuster, aber die Zahl der westlichen Waffensysteme ist insgesamt klein. Immerhin ist laut diesem Twitter-Thread zu beobachten, dass die Russen ihre Stäbe und Depots möglichst aus der Reichweite der neuen Systeme herausziehen. 

Die Ukraine sei nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich in Bedrängnis, weil die Wertschöpfung der Ukrainischen Wirtschaft weitgehend im Süden und Osten stattfindet, der zu einem beträchtlichen Teil nun zerstört, okkupiert oder beides ist. Einnahmen durch den Verkauf des Getreides fallen nahezu weg. 

Reisner zeigt am Ende das Foto eines getöteten Ukrainischen Offiziers, der ihm persönlich bekannt war. Das bedeutet, dass viele erfahrene Leute tot oder verletzt sind und weniger gut ausgebildete und ausgerüstete "Territorialverteidigungskräfte" dem Mahlstrom ausgesetzt werden müssen. Man liest auch von Erschöpfung und Demoralisierung, was nun mehr als verständlich ist. 

Anmerkung

Die zögerliche und nur punktuelle Ausrüstung der Ukrainer mit westlichem Material war bis jetzt nicht ausreichend, um die materielle und personelle Überlegenheit Russlands auszugleichen. Dieses westliche Material ist natürlich ebenfalls russischen Geschossen ausgesetzt und könnte über kurz oder lang kaputt sein, was bedeutet, dass es mit einigen einmaligen Lieferungen wahrscheinlich nicht getan ist. 

Vorhersagen sind schwierig, besonders solche über die Zukunft, aber die Gefahr, dass die Russen ihre Kriegsziele, z.B. eine komplette Okkupation eines Streifens entlang der Küste - oder sogar der ganzen Ukraine - erreichen, ist nach den Informationen dieses Videos real. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Alle rührenden Freundschaftsbekundungen ändern nichts daran, dass die EU-Nationen nur eine halb zerschlagene, verarmte, wirtschaftlich amputierte Rest-Ukraine werden aufnehmen können, wenn überhaupt, wenn der Westen den Ernst der Lage nicht erkennt und entsprechend handelt. Russland - und damit meine ich die Mehrheit der Russen, die für die Aggression ist - will anscheinend eine Kraftprobe, d.h. es wird alle Ressourcen einsetzen, die es hat, um seinen Willen durchzusetzen. Das ist schlecht, denn es erfordert von unserer Seite ebenfalls einen Ressourceneinsatz, der viel massiver ist, als wir ihn uns im Moment vorstellen wollen - oder die Aufgabe der Ukraine. Wir sind in einem Dilemma. 

Ukraine: Eine sehr ernste Einschätzung

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