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Eine Verwandlung und ihre Folgen
Der Anfang von Mohsin Hamids neuestem Roman "Der letzte weiße Mann" erinnert an Kafka: Der Protagonist, Anders, wacht eines Morgens auf und findet sich verwandelt. Es ist nicht die allmähliche Metamorphose in ein Insekt, doch das Erlebnis ist nicht weniger einschneidend: Denn Anders ist auf einmal dunkelhäutig. Nicht nur er hat Schwierigkeiten, sich in seinem Spiegelbild zu erkennen. Nachbarn, Kollegen, sein Chef erleben ihn als einen anderen, einen Fremden.
Anders bekommt den unterschwelligen wie auch den offenen Rassismus zu spüren, merkt, wie er selbst sich anders verhält, vorsichtiger wird – etwa wenn ihm eine Gruppe weißer Männer entgegenkommt. An seinem Arbeitsplatz, einem Fitnessstudio, scheuen die Kunden plötzlich den unmittelbaren Kontakt. "Wenn mir das passiert wäre, würde ich mich umbringen", sagt Anders’ Chef. Famous last words. Denn Anders ist nicht der einzige, der sich verwandelt. Immer mehr vormals Weiße haben plötzlich eine tiefbraune Hautfarbe.
Ändert sich die Identität, wenn sich das Aussehen ändert? Das ist eine Frage, die sich wie ein roter Faden durch den mit 160 Seiten eher kompakten Roman zieht. Auf jeden Fall ändern sich die Reaktion und das gesellschaftliche Klima. Es kommt zu Aggressionen, bewaffnete Männer, darunter wohl auch ehemalige Nachbarn, vertreiben auch Anders aus seinem Haus. Er flieht zu seinem Vater, einem kranken und einsilbigen Mann, der das alles zwar nicht versteht, aber zu Anders steht. In der doppelten Krise – Anders’ Verwandlung und der körperliche Verfall des Vaters – finden die beiden zu einer Nähe, die sie viele Jahre nicht hatten.
Zu den wenigen, die den verwandelten Anders interessanter finden als vorher, gehört die Yogalehrerin Oona, die mit ihm auf der Highschool war. Ihre Mutter hängt hingegen Verschwörungstheorien an und idealisiert das Weißsein – mich erinnert sie an die Anhänger von Donald Trump in den "Redneck"-Regionen.
Die Jagd auf Dunkelhäutige wird obsolet, als die Verwandlungen die Mehrheitsverhältnisse umkehren – plötzlich ist fast jeder dunkel. Anders’ Vater stirbt als "der letzte weiße Mann". Und doch bleiben die Menschen gespalten in diejenigen, die sich an ihr Weißsein erinnern, teils sehnsüchtig der nächsten Generation davon erzählen, und denen, die ihr Leben lang die Erfahrung gemacht haben, schon allein äußerlich einer Minderheit anzugehören.
"Der letzte weiße Mann" lässt über Identitäten nachdenken, hat stellenweise einen surrealen Humor und stellt Gewissheiten infrage. Trotzdem beeindruckte mich das Buch nicht so stark wie sein Vorgänger "Exit West". Empfehlenswert in einer Zeit, in der Diversität und Identität einen viel höheren Stellenwert bekommen, ist es dennoch.
Eine Rezension von evaczyk aus der yourbook.shop-Community.
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Quelle: Mohsin Hamid Bild: Dumont yourbook.shop
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