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Quelle: Foto: Kathrin Passig
"Zuhause" von Daniel Schreiber lag als Rezensionsexemplar in meinem Briefkasten, als ich nach mehrwöchiger Abwesenheit zurück in meine Neuköllner Wohnung kam. Ich komme nur selten dazu, sie zu bewohnen. Mein Freund lebt im Ausland, aus Elterngründen war ich in den letzten Jahren oft in Bayern, und dazwischen bin ich beruflich unterwegs. Eigentlich wollte ich nur den Rucksack abstellen, die Waschmaschine anwerfen und mir dann etwas zu essen kaufen. Ich mag keine unaufgefordert zugeschickten Bücher, schon gar nicht solche aus Papier, sie kommen normalerweise ungelesen in eine Kiste für den Berliner Büchertisch. Aber Daniel Schreiber kannte ich durch sein sehr gutes Buch "Nüchtern. Über das Trinken und das Glück". Vielleicht hatte sich ja ausnahmsweise jemand etwas gedacht bei der Zusendung. Ich blieb also am Küchentisch sitzen und las erst einmal das Buch durch. Es hat nur 140 Seiten und handelt von jemandem, der eine Neuköllner Wohnung hat, in der er nur selten wohnt.
Ich bin neulich für ein Buch über Neukölln interviewt worden, weil ich vor langer Zeit einmal öffentlich mitgeteilt hatte, über Berlin hätte ich nichts zu sagen, ich empfände keine Heimatgefühle für diesen Ort, hier stünden halt Häuser herum, in denen man wohnen könne. Ein paar Jahre später wiederrief ich diese Aussage angesichts einer besonders schönen Sperrmüllmatratze: "Neukölln, du Gutes. Es tut mir leid, dass ich ca. 2007 mal über dich sagte 'Heimat, wie, Heimat? Hier stehen halt Häuser rum, das ist alles.'"
Das Buch erzählte meine Geschichte, nur war es eine bessere Geschichte, interessanter und extremer, DDR statt Bayern, eine schwule Jugend statt einfach nur eine mit der falschen Sprache und den falschen Wünschen, mehrere Jahre in New York und London statt ein bisschen parasitäres Besuchsgewohne in Kanada, Irland und Schottland. Und die Neuköllner Wohnung hat im Buch eine Terrasse. Nach ein paar Jahren wird sie von einer provisorischen Unterkunft zu einer nicht mehr ganz so provisorischen. "Wenn Berlin ein Liebhaber wäre, dann einer, den ich nie wollte – etwas aufreibend und ein wenig beschädigt, nicht besonders einfühlsam, hübsch oder zuverlässig."
Nach einer Stunde war ich fertig mit dem Buch und konnte mir endlich was zu essen kaufen gehen. Im Supermarkt grüßten sie mich natürlich nicht, aber ich wohne hier ja auch erst fünfundzwanzig Jahre.
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Danke für den Text, ich lese das Buch auch gerade ...