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Zeit und Geschichte

Geschichte(n) wie in Tausendundeine Nacht

Hauke Friederichs
Journalist und Autor
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Hauke FriederichsMontag, 27.11.2017

Vorweihnachtszeit in Berlin. Lebkuchen und Ibn al-Haytham. Im Einkaufszentrum „Boulevard Berlin“ wird der arabische Gelehrte den Einkäufern als Comic-Figur präsentiert. 965 wurde der Gelehrte in Basra geborenen, im Rahmen der "Berlin Science Week" ist ihm eine kleine, bunte Ausstellung gewidmet: "Ibn al-Haytham: Der Mann, der entdeckte, wie wir sehen." Wissensvermittlung in einer Shopping-Mall?

Einige wenige Schaukästen, Bildschirme, eine Leinwand. Es läuft ein Film mit Omar Sharif, der Ibn al-Haytham als großen Forscher zeigt, der die Grundlage für die moderne Optik gelegt habe. Doch weder im Film noch im restlichen Informationsangebot stimmen alle Fakten, kritisieren Wissenschaftler. 

"Auf den Schautafeln ist unter anderem von Ingenieuren, Chemikern, Astronomen die Rede, die im 'Goldenen Zeitalter der Entdeckungen' in der islamischen Welt, beginnend im 7. Jahrhundert, wegweisende Forschung geleistet hätten", schreibt Richard Friebe in der FAZ. Und zitiert Sonja Brentjes, Expertin für Mathematik, Kartographie und Wissensaustausch in islamisch geprägten Gesellschaften am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte: "Schon die Zeitangabe ist falsch", sagt sie, "das begann später." Moderne Berufsbezeichnungen wie Ingenieure oder Chemiker seien zudem irreführend.

Die Kritik an solchen Ausstellungen ist nicht neu, zuvor wurde "1001 Inventions" kritisiert. Dieser Initiative wurde vorgeworfen, muslimische Wissenschaftler zu verklären. Wer steckt dahinter? Mehrheitlich britische muslimische Ingenieure und Ärzte, schreibt Friebe. "Mit ihrer 'Stiftung für Wissenschaft, Technologie und Zivilisation' und der Initiative '1001 Inventions' wollen sie muslimische Jugendliche beiderlei Geschlechts für Wissenschaft und Technik begeistern." Das klingt nach einer guten Sache. 

Doch die falschen Darstellungen und das "Darüberhinwegsehen", fürchtet Brentjes, könnte islamophobe Verschwörungstheoretiker stärken. Ein spannender Streit, der nichts mit einem Kampf der Kulturen zu tun hat.

Geschichte(n) wie in Tausendundeine Nacht

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Kommentare 1
  1. Fabian Goldmann
    Fabian Goldmann · vor 7 Jahren

    Interessanter Fall. Ich habe den Eindruck, dass so etwas bei der Vermittlung von Naturphilosophen immer wieder vorkommt. Gerade solche zwar gut gemeinten aber nicht ganz wissenschaftsfesten Initiativen schießen gelegentlich übers Ziel hinaus. Allerdings betrifft das nicht nur die Vertreter des islamischen Goldenen Zeitalters. Auch Aristoteles wird immer mal zum Naturwissenschaftler verklärt, obwohl es die nach unserem heutigen Verständnis erst 2000 Jahre später gab. Xenophanes wird zum Soziologen, obwohl es im antiken Griechenland weder den Begriff noch eine Idee von emprischer Sozialforschung gab usw usf. Lange Rede, kurzer Sinn: Leute beim Shopping ein bisschen Geschichte vermitteln ist prima, ihr Islam-Bild zu erweitern auch, aber vorher kann man ja trotzdem mal jemanden fragen, der sich damit auskennt. Ach, andererseits: Beim H&M-Besucher wird im besten Fall sowieso nur hängenbleiben, dass "die Araber damals auch schon was mit Optik und Astronomie" gemacht haben. Und das ist doch eigentlich gar nicht schlecht.

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