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Kurator'in für: Technologie und Gesellschaft
Das ehemalige Team der WIRED Germany hat mit 1E9 einen inoffiziellen Nachfolger gestartet. Auch bei 1E9 geht es um einen optimistischen, aber dennoch kritischen Blick auf Zukunftstechnologien und ihren Einfluss auf unser Leben: von KI über Blockchain bis zum autonomen Fahren oder Biotechnologie. Garniert wird das mit SciFi und Popkultur.
Neben den Journalistinnen und Journalisten, die für 1E9 arbeiten, kommen auch viele engagierte und fachkundige Mitglieder der 1E9-Community zu Wort. Denn 1E9 soll die interdisziplinäre Debatte über Technologie voranbringen.
Verstopfte und verdreckte Straßen, schlechte Luft, Überschwemmungen oder unerträgliche Hitze im Sommer. Viele Städte haben schon heute mit solchen Problemen zu kämpfen. Und das Bevölkerungswachstum und der Klimawandel dürften diese noch verschärfen. Was also tun? Eine Antwort, die oft kommt, lautet: Die Städte smart machen – mit neuen Technologien.
Es gibt keine genaue Definition von Smart City. Meistens geht es aber um die Verteilung von High-Tech-Kameras und Sensoren, die alles Mögliche permanent überwachen – von Mülleimern bis zu Brücken – und die gesammelten Daten nutzen sollen, um für reibungslose Abläufe zu sorgen. Doch ein besonders prominentes Konzept für die smarte Neugestaltung von rund 50.000 Quadratmetern Fläche in Toronto, Kanada, stieß auf heftige Ablehnung. Dabei stammte es sogar von Sidewalk Labs, einer Schwesterfirma von Google. Im September 2019 bezeichnete ein unabhängiger Bericht die Pläne als „frustrierend abstrakt“ und sogar irrelevant; und der US-Tech-Investor Roger McNamee warnte, dass man Google mit solchen Daten nicht anvertrauen sollte. Er nannte das Projekt als ein Beispiel für „Überwachungskapitalismus“. Mitte 2020 wurden die Pläne von Sidewalk Labs schließlich auf Eis gelegt.
Die Professorin und Ingenieurin Shoshanna Saxe von der University of Toronto sieht das Konzept einer durchtechnologisierten Stadt nicht nur aufgrund möglicher Datenschutzprobleme kritisch, sondern auch aus ganz praktischen Erwägungen. Technische Produkte altern schnell – und was passiert, wenn Sensoren ausfallen? Und können sich Städte überhaupt das neue Tech-Personal leisten? Denn die Arbeitskräfte, die bisher auf den Straßen unterwegs sind, um Schlaglöcher zu stopfen oder Mülleimer zu leeren, brauche es schließlich weiterhin.
Sie plädiert daher dafür, bei der Lösung der anstehenden Probleme nicht nur auf neue Technologien und Ideen zu setzen, sondern auch auf alte Konzepte zurückzugreifen. Das könnte sich gerade für die urbanen Gegenden lohnen, die immer anfälliger für Überschwemmungen, widriges Wetter, CO2-Emissionen und Luftverschmutzung werden.
Was sich von indigenen Kulturen lernen lässt, hat Julia Watson von der Harvard University in ihrem Buch Lo-TEK: Design by Radical Indigenism zusammengefasst.
Sie besuchte die Volksgruppe der Ma’dan im Irak, die Häuser und schwimmende Inseln aus Schilf weben; die Zuni in New Mexico, die „Waffelgärten“ anlegen, um Wasser für den Pflanzenanbau in der Wüste zu sammeln, zu speichern und zu verwenden; und die Subak-Reisterrassen von Bali. Julia Watson überquerte Brücken aus lebenden Baumwurzeln, die widrigen Wetterbedingungen besser standhalten können als jede von Menschen gebaute Struktur, und die es dem Stamm der Khasi in Nordindien ermöglichen, während der Monsunfluten zwischen ihren Dörfern zu reisen.
Auf ganz traditionellen Konzepten beruht etwa die Idee der „Schwammstädte“, die der Pekinger Designprofessor Kongjian Yu formulierte. Das sind städtische Landschaften, die passiv große Mengen an Regenwasser aufnehmen können – durch durchlässige Gehwege, grüne Dächer, Feuchtgebiete. Ein Musterbeispiel dafür ist Wuhan. Auch in Kopenhagen wurden bereits Parks angelegt, die bei drohendem Hochwasser einfach in Seen verwandelt werden können. In Kalkutta wird ein Feuchtgebiet sogar erfolgreich zur Abwasserreinigung verwendet. Selbst Klimaanlagen ließen sich vielerorts durch „dumme“ Technologien ersetzen, die auf die Symbiose von Mensch und Natur setzen.
Die Idee smarter Städte entsteht aus dem, was Watson als „den gleichen menschlichen Überlegenheitskomplex beschreibt, der die Natur zu kontrollieren glaubt“. Was daran fehlt, ist die Vorstellung einer Symbiose. „Das Leben auf der Erde basiert auf Symbiose“,sagt Watson. Sie schlägt deshalb vor, das Sprichwort vom „Überleben der Stärksten“ zu ersetzen – durch das „Überleben der Symbiotischsten“. Das ist vielleicht nicht so eingängig. Aber smarter.
Quelle: Amy Fleming Bild: shuoshu 1e9.community
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