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Kurator'in für: Feminismen
Annett Gröschner, in Magdeburg geboren, lebt seit 1983 in Berlin. Studium der Germanistik in Berlin und Paris. Seit 1997 freiberufliche Schriftstellerin, Journalistin und Dozentin. Seit 1992 literarisch-fotografische Projekte mit dem Fotografen Arwed Messmer (u.a. Ausstellung und Buch "Berlin, Fruchtstraße am 27. März 1952", 2012; "Inventarisierung der Macht. Die Berliner Mauer aus anderer Sicht", 2016). Schreibt Romane, Erzählungen, Essays, Theaterstücke, Radiofeature und Reportagen. 2000 erschien ihr Roman "Moskauer Eis", 2011 der Roman "Walpurgistag". Zuletzt erschienen die Bücher "Berliner Bürger*stuben. Palimpseste und Geschichten" (Edition Nautilus), 2022 und das Buntbuch "Spazier-Gaenge in Berlin: Anna Louisa Karsch", 2022. Seit 2012 ist sie Gastperformerin bei She She Pop.
www.annettgroeschner.de
Das Buch, auf das ich verweisen will, gibt es noch gar nicht. Stattdessen kann man gegen einen überschaubaren Obolus bei seinem Entstehen dabei sein. Das ist ein bisschen wie in den Restaurants mit Schauküchen, wo die Küche nur durch eine Glasscheibe vom Gastraum getrennt ist und man die Köche beobachten kann, wie sie das Fleisch filetieren und ob sie sich zwischen Fisch- und Tiramisuzubereitung die Hände waschen.
Dem Schriftsteller Tilman Rammstedt kann man beim Verfertigen seines neuen Romans mit dem Arbeitstitel Morgen mehr zusehen, zwar nicht beim eigentlichen Schreibprozess, der wäre auch nur was für Stalker, weil für alle anderen zu langwierig und –weilig, aber jeden Morgen übergibt er uns Lesern sein Tagespensum zur Begutachtung. Am Wochenende hat er frei. (Keine Ahnung, ob da die Gewerkschaft dahintersteht oder es dem Inhalt des Buches geschuldet ist, das in den siebziger Jahren spielt.) Die Abonnenten bekommen neben ca. drei Normseiten Text täglich auch noch ein Foto des Autors zugesendet, mit dem er beweisen will, dass er noch lebt und in welchem Zustand er sich gerade befindet. Mir scheint, er wird von Tag zu Tag etwas zerzauster, aber das kann auch an der Dosierung seines Haarsprays liegen. Wenn er blass und schlecht beleuchtet am Tisch sitzt und mit seinen Figuren spielt, frage mich manchmal, ob der Crowd mit dem täglichen Newsletter auch die Verantwortung für den Gesundheitszustand des Autors übergeben wird. Hole ich einen Arzt, wenn ich der Meinung bin, er braucht eine Pause? Ist Tilman Rammstedt zusätzlich zu seinem Schreibberuf noch ein guter Schriftstellerdarsteller? Ich weiß es nicht, es ist auch unerheblich, denn am Ende muss ein Roman herauskommen, der auch in Buchform erscheinen wird.
15 Tage bin ich dabei, und ich muss sagen, dass ich mich jeden Morgen freue, wenn in meinem Postfach ein neues Stück Text liegt, meine Lektüre zum ersten Kaffee. Rammstedt hat die Gabe, gute Cliffhanger zu bauen. Ich bin dabei, wenn das noch ungezeugte Kind seine potentiellen Eltern beobachtet, wie sie an unterschiedlichen Orten Europas keine Anstalten machen, sich kennenzulernen, um ihn, den Ich-Erzähler zu zeugen, und er auch nicht eingreifen kann. Ich mag die Sprache, den subtilen Humor. Was den Plot angeht, ist es mir im Moment auf der Vaterseite ein wenig zu Tschick-haft, junge Männer im Auto unterwegs, über Gott und die Welt und die Frauen labernd, aber irgendwann werden sie da auch aussteigen.
Dass ein Schriftsteller sein Tagespensum sofort veröffentlicht, ist an sich nichts Neues, es war nur ca. 80 Jahre aus der Mode, geändert hat sich nur das Medium.
Ende der zwanziger Jahre, als es allein in Berlin über hundert Tageszeitungen nebst Nachtausgaben gab, war ein Heer von Schriftstellern Tag und Nacht damit beschäftigt, in Echtzeit Fortsetzungsromane zu verfassen. Die Anekdotensammlungen der Berliner, Münchner oder Pariser Exil-Bohème sind reich an Geschichten, wie der Literat im Café in der Ecke sitzt und versucht zu schreiben, daran aber durch andere Schriftsteller, Tänzerinnen und zuviel Alkohol gehindert wird. Joseph Roth, der am Kurfürstendamm bei Mampe saß, ist das beste Beispiel dafür. (Mampe gibt es heute übrigens am selben Ort wieder, wird von McDonalds betrieben.)
Mit Morgen mehr haben wir es mit einer zeitgemäßen Form des Fortsetzungsromans zu tun: als Miniserie. Wahrscheinlich wird sie irgendwann verfilmt. Aber erstmal muss der Autor noch durch tausend Täler. Wir dürfen ihm beim Wandern zusehen und unseren Senf dazugeben. Wir sind die anderen Schriftsteller, die Tänzerinnen, der Alkohol. (Beiseite gesprochen: Den Satz, dass Claudia gestern geheiratet hat, den würde ich noch ändern. Sie kann ja meinetwegen geheiratet haben, aber doch nicht gestern, das ist doch bitteschön das übelste Klischee, das wir kennen, der Liebende, der einen Tag zu spät kommt.)
Quelle: Tilman Rammstedt morgen-mehr.de
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