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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Zufällig griff ich nach der Neuauflage eines Romans von Vicki Baum, einer Autorin, an die man sich heute kaum mehr erinnert. Weltberühmt wurde sie 1929 mit ihrem elften Buch Menschen im Hotel, das ein Berliner Grand Hotel ins Zentrum des Geschehens stellte. Der Bestseller wurde ins Englische übersetzt und verfilmt, Greta Garbo spielte die weibliche Hauptrolle. Dann wurde es politisch komplizierter in Berlin, wohin die geborene Wienerin gezogen war, beim Ullstein-Verlag arbeitete, Geschichten und Artikel für das damalige Trendmagazin Die Dame schrieb, eine Villa im Grunewald bewohnte. Sie boxte, steuerte einen schicken Wagen, erfüllte das Rollenbild der Neuen Frau. Aber Jüdin war sie auch. So orientierte sie sich früh genug in Richtung USA, wo bereits Verbindungen zum Filmgeschäft bestanden. Baum wanderte aus, verwandelte sich auch äußerlich in eine Amerikanerin, so wie es sich gehörte, lebte in Hollywood, verfasste weiter Romane, widmete sich aber auch als eine der wenigen Frauen im Filmbusiness dem Schreiben von Drehbüchern. Sie hatte schließlich einen Mann und zwei Söhne zu versorgen.
Als ich in den USA lebte, beschäftigte ich mich mit der Rolle von europäischen Geflüchteten in Hollywood und suchte in Archiven nach Material. In Baums Briefen an Freunde und Kolleginnen wird deutlich, wie sich auch ihre sprachliche Assimilation vollzog. Vom anfänglichen Deutsch beginnt sie englische Redensarten in ihre Briefe zu mischen, bis sie schließlich nur mehr auf Englisch formuliert.
Der Roman Hotel Berlin wurde 1943 in englischer Sprache veröffentlicht. Interessant ist, dass er von einer nahen Zukunft handelt und das Ende des Zweiten Weltkriegs literarisch vorwegnimmt. Über 24 Stunden begleitet die Autorin verschiedene Menschen am Schauplatz Hotel, folgt also derselben Dramaturgie wie in ihrem Erfolgsroman, diesmal aber zu politischen Krisenzeiten. Männer, Frauen, Generäle, Widerstandskämpfer, UFA-Filmsternchen, Hotelangestellte, kriegstraumatisierte Kampfflieger, Prostituierte, Gestapo-Leute laufen über die Gänge, treffen an der Bar, im Speisesaal, im Foyer aufeinander, bis es mit einem heftigen Bombenangriff zum Showdown kommt. Die frühere Berlinerin Baum beschreibt also mit amerikanischem Blick die Unausweichlichkeit des Weltkriegsgeschehens.
Das liest sich rasant, aber nicht blöd. Baum fühlt sich in ihre Figuren ein, zeichnet unterschiedliche politische Haltungen, zeigt Zweifel und Zwiespalt, ein paar Kitschelemente fehlen nicht, sogar wahre Liebe erblüht. Aber vergleicht man das Buch mit heutigen Schmonzetten à la Carmen Korn, hat Vicki Baum deutlich mehr Qualität und Scharfsinn. Man wundert sich, wie die Autorin das hingekriegt hat, so weit vom Geschehen entfernt. Sie hatte den Roman Anfang der Vierziger Jahre begonnen zu schreiben, als noch nicht abzusehen war, wie weit das Ganze eskalieren sollte. Wahrscheinlich funktioniert das nur, weil sich Baum in ihrer Darstellung ganz auf die Menschen konzentriert. Jedenfalls habe ich das frühe Erscheinungsdatum erst nach der Lektüre bemerkt und wäre während des Lesens nicht auf die Idee gekommen, dass es eine Art prophetisches Schreiben war. Ich verrechne das als weiteren Pluspunkt für diese zu Unrecht als hundert Prozent trivial gescholtene Autorin. Baum hatte auch ihre genialen Momente.
Die Verfilmung des Romans folgte und musste rasch vorangehen, da sich die Alliierten sozusagen fast gleichzeitig aufmachten, Berlin zu befreien. Im Film spielen übrigens einige, vor Hitler geflüchtete Schauspieler, wie Peter Lorre, Helene Thimig, Helmut Dantine die Rollen von guten wie bösen Deutschen. Eine weitere Ironie in der schrecklichen Geschichte von Verfolgung und Zerstörung.
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"Berlin, beim Ullstein-Verlag arbeitete, Geschichten und Artikel für das damalige Trendmagazin Die Dame schrieb, eine Villa im Grunewald bewohnte. Sie boxte, steuerte einen schicken Wagen, erfüllte das Rollenbild der Neuen Frau." - Das würde ich sehr gern als Netflix-Serie sehen. Genauso wie die zu Pferde ausreitenden Bibliothekarinnen in den USA der 40er Jahre, die zu zweit oder allein unterwegs waren.
... rasant, aber nicht blöd???
DANKE: Ich habe gerade Tanzpause von ihr gelesen. Sehr kurz und sehr gut und dicht. Sitzt alles!
Wie ist denn die nahezu vollständige Vergessenheit und die Einschätzung als "hundert Prozent trivial gescholtene Autorin" mit der Werkausgabe bei Kiepenheuer & Witsch zu vereinbaren?
https://www.kiwi-verla...
Prophetisch können einige Autoren der zwanziger Jahre gelten oder genauer: einige Texte, die häufig klüger als die Verfasser sind. Kafka, Joseph Roth, Keun...