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Wenn Arbeit zur Ersatzreligion wird

Ole Wintermann
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Ole WintermannSamstag, 09.07.2022

Ist die Arbeit in Start-ups zu einer Ersatzreligion geworden?

Diese These vertritt Carolyn Chen in ihrem Beitrag für die New York Times. Chen ist Professorin für Religionssoziologie. Sie hat im Zuge ihrer Forschung beobachtet, dass das Arbeiten in Start-ups und als besonders innovativ geltenden Unternehmen mit der Bildung von Ritualen und Glaubenssätzen einhergeht, die normaler Weise in Religionen angewendet werden. Gleichzeitig aber fehlt der Ersatzreligion „Arbeit“ die normative Fundierung, um den dort Arbeitenden auf Dauer ein „Belonging“ geben zu können.

But both tech workers themselves and society as a whole pay a price when work takes the place of religion.

Der normative Kern der Ersatzreligion ist weiterhin nur das Geld. Scheitern Start-ups, so hat Chen fundamentale Identitätskrisen bei den dort Arbeitenden beobachten können

(This worker) depended on work so fully for her identity and meaning that after she left her job, she didn’t know who she was anymore.

Vor diesen Identitätskrisen sind vor allem ältere Tech-Arbeiter und religiöse Arbeiter gefeit. Die einen wissen aus Lebenserfahrung, dass kein Unternehmen aus sich selbst heraus dauerhaft Lebenssinn stiften kann. Die anderen sind fest im religiösen Wertesystem verankert und bedürfen keiner vermeintlich sinnstiftenden Ersatzreligion.

Chen meint, dass der Umfang der Ersatzreligion inzwischen Demokratie und Zivilgesellschaft gefährdet, da der Zeit- und Aufmerksamkeitsaufwand für die Ersatzreligion kaum noch Raum lässt für tatsächliche Sinnstiftung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Wenn ich selbst einen Blick auf Instagram werfe, kann ich die Einordnung der Arbeit als Ersatzreligion nur zustimmen.

Wie sehr ihr das?

Wenn Arbeit zur Ersatzreligion wird

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Kommentare 1
  1. Dennis Schmolk
    Dennis Schmolk · vor mehr als 2 Jahre

    Interessantes, kurzes Stück, vor allem die Empirie. Die Deutung/Meinung greift aber etwas kurz - wenn ich das richtig lese haben wir den Schluss:

    1. Menschen sehen ihre Arbeit vermehrt als (einzige) Quelle von "meaning", "purpose", "transcendence"
    2. Darunter leiden sie selbst im Falle des Scheiterns (der im Gegensatz zum "Scheitern" einer jenseitigen Heilserwartung natürlich möglich ist), darunter leiden aber auch die etablierten Purpose-Lieferanten wie Kirchen & Co.
    3. Deshalb sollten wir die Kirchen & Co. schützen und stärken

    Das scheint mir deshalb problematisch, weil es ja auch Gründe für 1. gibt. Nämlich u.a., dass Kirchen & Co. eben keine tragfähigen Purpose-Lieferanten mehr sein können (aus verschiedenen Gründen, von Säkularisierung/Atheismus bis Missbrauchsskandale). Und deswegen scheint mir der Lösungsvorschlag etwas zirkelschlüssig/unzureichend.

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