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Was passiert als Nächstes in Gaza?

Theresa Bäuerlein
Journalistin. Autorin. Seit (gefühlt) schon immer.
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Theresa BäuerleinDonnerstag, 19.10.2023
So wie es Phasen der Trauer gibt, so gibt es auch Phasen des Krieges. Noch keine zwei Wochen nach dem Überraschungsangriff der Hamas befindet sich Israel immer noch in einer frühen Phase.

Die Atlantic-Autorin Hanna Rosin hat mit Graeme Wood gesprochen, der derzeit in Jerusalem ist und häufig aus dem Nahen Osten berichtet. Es geht um die Frage, was passiert, wenn eine frisch traumatisierte Nation kriegswichtige Entscheidungen trifft, und wie sie von diesem Zustand zu einer nächsten Phase übergehen könnte – einer, die strategischer und praktischer orientiert ist, vielleicht sogar versöhnlicher.

Wood berichtet über die Stimmung im Land und darüber, wie eine Bevölkerung, die bis vor kurzem angesichts der umstrittenen Justizreform polarisiert und gespalten war, durch das gemeinsame Trauma zusammenfindet. Die Haltung gegenüber der Hamas ist ziemlich einheitlich, bis auf wenige, extreme Stimme, meint Wood. 

Es gibt einen politischen und militärischen Konsens, der meiner Meinung nach relativ schnell nach dem 7. Oktober zustande kam, als die Hamas die Mauer zum Gazastreifen durchbrach und über tausend Menschen tötete. Und dieser Konsens besteht darin, dass die Hamas, was auch immer sonst wahr ist, nicht weiter existieren kann  [...]
Und als logische Folge davon stimmen sie auch darin überein, dass dies erfordert, in den Gazastreifen einzumarschieren und, je nachdem, wen man fragt, die Hamas auszurotten, ihre Anführer zu töten oder möglicherweise einfach den ganzen Ort dem Erdboden gleichzumachen, was ich von einer Reihe von Israelis gehört habe.

Das ist definitiv leichter gesagt als getan, denn 

...wenn man bedenkt, wie sehr sich die Hamas eingegraben hat – die Hamas selbst spricht von 500 Kilometern Tunneln, die sie unter dem Gaza-Streifen kontrolliert.
In diesen Tunneln, die mit Waffen gefüllt sind und als Schmuggelrouten dienen, könnten sich derzeit bis zu 200 israelische Geiseln befinden. Es ist einfach unmöglich, die Hamas auszurotten, ohne in den Gazastreifen einzumarschieren, was Israel bisher nur äußerst ungern getan hat, und jetzt ist allen klar, dass es dazu kommen wird. Und es wird auf beiden Seiten blutig werden[...] Was bereits geschehen ist, ist unglaublich schrecklich, und was als Nächstes kommt, wird wahrscheinlich noch schlimmer sein.

Wie es danach weitergehen soll? Wood sagt, diese Frage sei gerade sehr unwillkommen. 

„Wir wissen es nicht. Stellen Sie diese Frage nicht. Wir sind gerade in der Phase, in der wir feststellen, dass wir gegen unseren Willen handeln mussten. Wir wollten es nicht, aber wir mussten es tun.“

Nachfragen gelte als unpatriotisch und ungehörig. Woods eigene Einschätzung lautet: 

Ich denke also, was als Nächstes passiert, ist sicherlich eine Invasion, aber danach eine Art Rückbesinnung auf Israels Realitätsprinzip. Was bedeutet, dass man versteht, dass der Gazastreifen am Ende immer noch ein muslimischer Ort sein wird, es sei denn, es werden schreckliche Verbrechen gegen ihn begangen. Er wird palästinensisch sein, und er wird eine Art modus vivendi mit seinem Nachbarn, Israel, haben müssen.

Was bedeutet das für die Palästinensische Autonomiebehörde in der Westbank? 

Die Palästinensische Autonomiebehörde ist natürlich ein Feind der Hamas. Sie hat den Machtkampf mit der Hamas verloren und wird sozusagen die letzte palästinensische Machtstruktur sein, die übrig bleibt, wenn die Hamas zerschlagen wird, wie Israel verspricht. Aber zunächst einmal hat die Palästinensische Autonomiebehörde viele Feinde innerhalb des israelischen Staates und innerhalb Israels, um es vorsichtig auszudrücken, und es ist nicht klar, ob sie die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen könnte, da sie den Machtkampf dort bereits verloren hat. Es herrscht also ein großes Machtvakuum. Das ist ein Teil des Schlamassels, mit dem Israel nicht öffentlich gerechnet hat, weil es so überzeugt ist, dass nichts anderes zählt, als die Hamas loszuwerden. 

Vor kurzem hat Israel noch eine Normalisierung mit Saudi Arabien angestrebt, diese Entwicklung schien auf einem guten Weg. Was passiert nun? Jedes arabische Land, das bisher in Erwägung zog, sich in die Riege der israelfreundlichen arabischen Länder einzureihen, müsse nun einen Rückzug machen, meint Wood, oder den Zorn der eigenen Bevölkerung auf sich ziehen – was in einigen dieser Länder, wie etwa Saudi-Arabien, einen Regimewechsel bedeuten könnte. Das gilt auch für einige der Länder, die bereits Frieden mit Israel geschlossen haben, wie Ägypten. 

Ägypten und Jordanien müssen sich fragen, wie hoch der Preis für diesen Frieden sein könnte, wenn der Krieg weiterhin so schrecklich verläuft, wie es den Anschein hat.
Was passiert als Nächstes in Gaza?

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Kommentare 4
  1. Nutzer gelöscht
    Nutzer gelöscht · vor einem Jahr

    Nach dem Sieg über Nazideutschland haben die Siegermächte die Sicherheit und die zivile Ordnung des Landes durch das Besatzungsstatut gewährleistet. Es hat uns zu einer stabilen, freiheitlichen Demokratie verholfen. Um dasselbe im Gazastreifen zu erreichen, wird Israel dort ein strenges, aber gerechtes Besatzungsregime errichten müssen.

    1. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor einem Jahr · bearbeitet vor einem Jahr

      Ehud Barak:
      „Vor 15 Jahren, als ich Verteidigungsminister war und erneut ein Krieg mit Hamas bevorstand, habe ich dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und Abu Mazen vorgeschlagen, dass nach dem Waffenstillstand eine Schutztruppe verschiedener arabischer Staaten für drei bis sechs Monate die Kontrolle übernehmen könnte. Diese hätte schrittweise die Macht an die PA übertragen können. Sowohl Mubarak als auch Abu Mazen waren strikt gegen die Idee. Aber vielleicht wäre das jetzt ja möglich.“

      Das sagte Barak dem SPIEGEL, und zur Vorgeschichte:
      „Netanyahu trägt persönlich die Verantwortung für das größte Versagen in der Geschichte Israels.“

      Das Interview erschien heute in der Printausgabe und hinter der Bezahlschranke auf https://www.spiegel.de...

      Ehud Barak ist General a.D., hat der israelischen Armee 35 Jahre gedient. 1999-2001 war er Ministerpräsident und 2007-2013 Verteidigungsminister Israels. Er leitete Operationen zur Geiselbefreiung, war kürzere Zeit Außenminister.

      Die englischsprachige Fassung ist frei zugänglich: https://www.spiegel.de...

      Die FR veröffentlicht ein weiteres Interview: https://www.fr.de/poli...

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor einem Jahr

      Die Palestinenser werden niemals ein Regime der Israelis akzeptieren. Da können die machen was sie wollen. Außer kollektiven Selbstmord. Aber die Chance ihre Angelegenheiten allein friedlich und erfolgreich zu regeln haben die Palestinenser bisher auch noch nie genutzt. Scon gar nicht in Gaza. Irgendwie war immer Gewalt das Mittel der Konfliktlösung. Und ich sehe da keinerlei Mentalitätswandel …..

    3. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor einem Jahr

      Erstem Teil stimme ich zu. Aber Israel wird das nicht schaffen. hat es ja auch nicht geschafft.
      Die Allierten waren diverse Akteure und nicht ... ethnisch beteiligte (= es waren keine jüdischen oder zb polnischen Besatzer).
      nein: es müsste ein UN-Protektorat sein mit arabischer Beteiligung - die arabische Liga.
      Aber nicht komplett "arabisch", da leider deren Mehrheit nicht demokratisch rechtsstaatlich und Menschenrechte-wahrend sind.
      In Deutschland war wenigstens nur 1 der Besatzungsmächte eine Diktatur.

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